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Lehrerbildung in Niedersachsen


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13.2.18

Theorie und Praxis in der Lehreraus- und fortbildung

In Sachen Medienbildung hat sich die Landesregierung in Niedersachsen allerlei vorgenommen und die Aus- und Fortbildung der Lehrkräfte steht dabei ganz oben auf der Liste. Bei der Umsetzung wird allerdings klar, dass noch etliche dicke Bretter zu bohren sind.

Im Juli 2016 beschloss die Landesregierung das Konzept „Medienkompetenz in Niedersachsen – Ziellinie 2020“. Damit geht das Land eigenen Angaben zufolge über die KMK-Strategie hinaus, da es alle Bildungsbereiche von der frühkindlichen und schulischen Bildung bis hin zur Hochschul- und Erwachsenenbildung einbezieht. Die  Maßnahmen und Ziele, die bis 2020 erreicht sein sollen, sind in fünf Teilbereiche unterteilt und die Aus- und Fortbildung der Lehrkräfte steht zumindest auf der Liste an erster Stelle. Weitere Bereiche sind die Curricula, der Aufbau eines Bildungsnetzes und der Ausbau der Netzwerkbildung sowie die Kommunikation. Die Landesregierung hat dazu drei sogenannte Referenzprojekte aufgesetzt. Die niedersächsische Bildungscloud soll wie ein virtuelles Klassenzimmer die Kommunikation zwischen Lehrkräften und Lernenden, den Austausch von Lernmaterialien und gemeinsame Projektarbeit ermöglichen soll. Falls die derzeitige Pilotphase mit 20 allgemein und berufsbildenden Schulen gut ausgeht, soll ab 2020 eine landesweite Lernplattform errichtet werden – zur freiwilligen Nutzung.

Das zweite Referenzprojekt BBS fit für 4.0 sind dezentrale Lernwerkstätten, die berufsbildenden Schulen und KMU vor Ort ermöglichen, sich gemeinsam in einer modernen 4.0-Umgebung fortzubilden. Das dritte Projekt Digital Deutsch lernen richtet sich an geflüchtete Kinder und Jugendliche, die mit Tablets und Lernsoftware die deutsche Sprache lernen sollten.

Um etwas über die Umsetzung zu erfahren, haben wir mit Dr. Alexandra-Nicole Proksza vom Niedersächsischen Landesinstitut für schulische Qualitätsentwicklung (NLQ) gesprochen sowie mit Oberstudiendirektor (OSD) Heinz Kaiser, der das Studienseminar Oldenburg für das Lehramt an berufsbildenden Schulen leitet.

Auch, wenn es nicht die Aufgabe der Landesbehörde ist Referendare zu qualifizieren, so bietet das NLQ in Kooperation mit der Niedersächsischen Landesmedienanstalt die Zusatzqualifizierung Medienkompetent/z ausbilden für die Lehrkräfte im Vorbereitungsdienst an, zusätzlich zu Qualifizierungen für Ausbildende und Fachseminarleitungen. Auch sonst unterstützt das NLQ mit Beratung, Fortbildung, Materialien und Austauschforen. „Unsere Mitarbeitenden sind als Lehrkräfte tätig, und das zum Teil in einer Mehrfachfunktion als  Ausbildende und als medienpädagogische Beraterinnen und Berater“, sagt Proksza, die am NLQ u. a. für den Aufgabenbereich Medienbildung in der phasenübergreifenden Lehrkräfteausbildung zuständig ist.

Auf dem Portal Medienbildung findet man Anregung zu Themen wie Förderung der Schulqualität, Maßnahmen und Materialien zur Unterrichtsentwicklung, Medienethik oder auch die Förderung von Gesellschaftskompetenzen.

Aber die Umsetzung des Konzeptes der niedersächsischen Landesregierung ist mit einigem Aufwand verbunden, denn die Aufgaben sind auf verschiedene Behörden aufgeteilt, und das erfordert viel Kommunikation und Klärung von Zuständigkeiten. Auf der anderen Seite sind die medienpädagogischen Beraterinnen und Berater  Lehrkräfte, die nur einen Tag in der Woche (konkret 8 Stunden) freigestellt sind – auch hier gibt es also Kapazitätsprobleme. Viele Lehrkräfte und Ausbildende fragen: Inklusion, Deutsch als Zweitsprache und als Bildungssprache lernen, interkulturelle Kompetenzen, Berufsorientierung und Digitalisierung – wie sollen wir das alles schaffen?

Nicht wirklich hilfreich findet Proksza dabei private Firmen, die sich neuerdings häufiger im Fachbereich Medienbildung des NLQ als potentielle Kooperationspartner melden. Sie wollen Medienentwicklungsplanung anbieten und Schulen beraten, haben aber keine KMK-kompatiblen Konzepte und verfügen auch nicht über qualifiziertes Personal. Gerade bei den methodisch-didaktischen Anforderungen sei noch viel zu tun.

„Wichtig ist, dass Unterstützung und Beratung nicht von wirtschaftlich denkenden Firmen kommt, sondern von denen, die Pädagogik „gelernt haben“, sich beruflich damit beschäftigen und zugleich auf dem aktuellen Stand der Zeit sind, zum Beispiel hinsichtlich der Digitalisierung in der Gesellschaft“, sagt Proksza.

Die technische Ausstattung – viele Studienseminare haben kein WLAN – hält Proksza dagegen für kein grundsätzliches Hindernis.

„Man kann trotzdem ein Medialitätsbewusstsein entwickeln und die grundsätzlichen Probleme und Chancen der Digitalisierung thematisieren auch ohne mit den Geräten zu arbeiten“, findet sie.

Zudem seien die privaten Haushalte weit besser ausgestattet als die Bildungseinrichtungen, 99 Prozent haben ein Smartphone, so dass diese in Ausbildung und Unterricht eingesetzt werden können.

Am Studienseminar Oldenburg ist sowohl die Ausstattung als auch die konzeptionelle Arbeit auf dem neuesten Stand. Seminarleiter Heinz Kaiser hat es nicht bereut, dass er vor 6 Jahren die Lernplattform itslearning angeschafft hat. Sie kann weit mehr als nur Dokumente ablegen oder einen gemeinsamen Kalender führen. Demnächst will das Flächenseminar Webinare entwickeln und einsetzen, um sowohl den Referendaren als auch den Berufseinsteigern sowie der wachsenden Anzahl von Quereinsteigern im Rahmen der berufsbegleitenden pädagogischen Qualifizierung einen zusätzlichen Kompetenzerwerb zur individuellen Qualifizierung zu ermöglichen.

Die Entscheidung für ein professionelles LMS war allerdings eine einsame, Unterstützung von oben gab es keine, schon gar nicht eine Koordination mit anderen Schulen. Genau das würde aber in den Augen Kaisers erst richtig Sinn machen und ermöglichen, die Vorteile einer Lernplattform auszuschöpfen.

„Wir haben augenblicklich die Situation, dass die Schulen mit unterschiedlichsten Systemen arbeiten und es folglich keine Synergieeffekte gibt – die Situation ist tatsächlich verbesserungsbedürftig“, sagt Kaiser.

Er plädiert für eine landesweite Plattform wie in Bremen, „denn dann könnte man arbeitsteilig arbeiten und Synergieeffekte nutzen.“ Und man könnte noch ein weiteres Problem lösen. Zurzeit beobachtet Kaiser, dass viele Ausbildungslehrer und übrigens auch Referendare schwer zur Arbeit mit einer Lernplattform zu motivieren sind, egal welche es ist. Der Grund: Wenn sie (zurück) an die Schulen gehen, finden sie dort andere oder gar keine Systeme vor und können das Gelernte gar nicht oder nur mit großem Anpassungsaufwand anwenden.

„Wenn wir die über 80.000 Lehrkräfte im Land nicht systematisch, kontinuierlich und verbindlich fortbilden, bleibt das Ergebnis Stückwerk,“ sagt der erfahrene Seminarleiter.

Der Umgang mit digitalen Werkzeugen und Medien ebenso wie medienpädagogische Kompetenz, so fordert Kaiser, müsse verpflichtender Bestandteil der Aus- und Fortbildung von Lehrkräften sein. Und ausdrücklich fügt Kaiser hinzu:

„Wir müssen unbedingt auch die universitäre Phase in den Blick nehmen. Wir müssen sicherstellen, dass alle Studierenden von Beginn an die Potenziale der digitalen Bildung im Unterricht erkennen und selbst im Studium erleben und somit neue Räume für Lern- und Kommunikationsprozesse gestalten lernen“.

Während der didacta 2018 werden Dr. Alexandra-Nicole Proksza und OSD Heinz Kaiser auf dem Netzwerktreffen „Medienkompetenz in der Lehrerbildung“ ihre Erfahrungen vortragen und mit den Teilnehmerinnen und Teilnehmern diskutieren. Das Treffen wird von itslearning veranstaltet, teilnehmen können alle, die sich intensiver über die Chancen und Herausforderungen der Lehreraus- und -fortbildung und die Rolle von Lernmanagementsystemen austauschen wollen. So werden Konzepte vorgestellt, welche unterschiedlichen Möglichkeiten es gibt, LMS gewinnbringend einzusetzen. Neben den Beispielen aus Niedersachsen können weitere Beispiele thematisiert werden.

 

Links

Pläne der niedersächsischen Landesregierung in Sachen Medienbildung

Aktivitäten des NLQ
http://www.nibis.de/nibis.php?menid=3447
http://www.nibis.de/nibis.php?menid=7948

Oldenburger Studienseminar
http://studienseminar-ol-bbs.de/

Über die Situation der Lehreraus- und -fortbildung in Baden-Württemberg lesen Sie in diesem Artikel aus dem Mai 2017.

Hier geht’s zur Anmeldung für das Netzwerkgespräch auf der didacta 2018:

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